Politisch motivierte Desinformationskampagnen im internationalen Kontext und Förderung der digitalen Desinformationsresilienz
Weltweit und europaweit gelten politische Desinformationskampagnen aktuell als sehr große Gefahr für die Stabilität von Staaten und Gesellschaften. Das World Economic Forum 2024 hat „misinformation and disinformation“ auf den ersten Platz des Rankings kurzfristiger globaler Risiken im Zeitraum von zwei Jahren gehoben, gefolgt von davon ausgelöster „societal polarization“ auf Platz drei (World Economic Forum 2024, 8). Diese Einschätzung ist insbesondere auch im Kontext des ‚Superwahljahrs‘ 2024 zu sehen, in dem weltweit besonders viele Menschen zu Wahlen aufgerufen sind, so auch in den USA, in Europa und in deutschen Bundesländern.
Für Europa hebt u.a. der Aktionsplan gegen Desinformation der EU von 2018 die Bedrohungslage durch politische Desinformationskampagnen durch ausländische Akteure hervor und fordert nachhaltige Gegenmaßnahmen auf verschiedenen Ebenen (Europäische Kommission 2018, 3; 11):
„Desinformationskampagnen, insbesondere von Drittländern, sind häufig Teil einer hybriden Kriegsführung‚ zu der Cyberangriffe und das „Hacken“ von Netzen gehören. Es ist erwiesen, dass ausländische staatliche Akteure zunehmend Desinformationsstrategien einsetzen, um gesellschaftliche Debatten zu beeinflussen, Spaltungen herbeizuführen und in die demokratische Entscheidungsfindung einzugreifen.
Desinformation stellt eine große Herausforderung für die europäischen Demokratien und Gesellschaften dar, und die Union muss sich dieser Herausforderung unter Achtung der europäischen Werte und Freiheiten annehmen. Desinformation untergräbt das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Demokratie und die demokratischen Institutionen. Auch trägt sie zur Polarisierung der öffentlichen Meinung bei und stört die demokratischen Entscheidungsprozesse. Desinformation wird zudem mitunter dazu eingesetzt, das europäische Projekt zu untergraben.“
Politische Desinformationskampagnen werden v.a. durch die Nutzung digitaler sozialer Medien wie Facebook, TikTok, X/Twitter, WhatsApp, Telegram, Instagram in die Gesellschaften hineingetragen. Sie sind oft durch staatliche oder staatsnahe Akteure orchestriert.
Die EU postuliert daher nachdrücklich: „Es müssen daher dringend unmittelbar wirkende Maßnahmen getroffen werden, die die Union, ihre Organe und ihre Bürger vor Desinformation schützen.“ (ebd.) Die Förderung der digitalen Desinformationsresilienz der europäischen Bürgerinnen und Bürger ist eine zentrale Maßnahme, die „Sensibilisierung der Gesellschaft und [der] Ausbau ihrer Widerstandsfähigkeit“ gegen Desinformation eine von vier Säulen des europäischen Aktionsplans gegen Desinformation, bei der es im Kern darum geht, dass die „Medienkompetenz der Bürger dahingehend verbessert [wird], wie sie Desinformation erkennen und abwehren können“. (ebd.)
Die Schulen sind vor diesem Hintergrund dazu aufgefordert, die digitale Desinformationsresilienz der Schülerinnen und Schüler nachhaltig zu stärken und so die Fähigkeit zur freien und mündigen Meinungsbildung in einer demokratischen Gesellschaft zu unterstützen. Das Fach Deutsch als Leitfach im schulischen Fächerkanon, in dem die digitale Medienbildung ein zentraler Bestandteil ist, kann – auch ausgehend von den fachspezifischen curricularen Bestimmungen – dazu einen erheblichen Beitrag leisten.
In beigefügtem Beitrag werden zunächst, ausgehend von relevanten Definitionsansätzen, Phänomene politisch motivierter Desinformationskampagnen ausländischer Akteure in digitalen sozialen Medien exemplarisch aufgezeigt. Sodann wird ausgehend von den curricularen Bestimmungen für das Fach Deutsch die Verortung der Förderung der digitalen Desinformationsresilienz auch mit Blick auf politisch motivierte Desinformationskampagnen ausländischer Akteure im Deutschunterricht vorgenommen. Abschließend wird auf der Grundlage von Detjen et al. 2012 ein (heuristisches) Kompetenzmodell vorgestellt, das eine systematische und strukturierte Förderung der hier im Fokus stehenden Desinformationsresilienz erleichtert; ein Praxisbeispiel veranschaulicht die Anwendung.
Dokument: Politische Desinformationskampagnen im internationalen Kontext und Förderung der digitalen Desinformationsresilienz_11_06_2024 [Stand:11.06.2024]